Kanada. So weit weg von uns. Und doch gibt es dort viele Dinge und Konzepte, die uns bekannt vorkommen. So wie Kindergärten. Aber sind zum Beispiel Montessori-Kindergärten wirklich so, wie wir das Konzept aus Deutschland kennen? Ich freue mich, meine dritte Gastautorin begrüßen zu dürfen: Susan Höntzsch berichtet euch für #KigastartInternational von ihrer Eingewöhnung in Kanada. Vorhang auf für Susan:
Inhalt
Kanada: Neues Land, was tun?
Wenn Familien beruflich ins Ausland gehen, brauchen sie natürlich auch eine Betreuung für die Kinder. Je nach Land ist die Betreuungssituation unterschiedlich. Als meine Familie und ich nach Kanada gezogen sind, haben wir überraschend schnell einen Kita-Platz für unsere Tochter gefunden – allerdings in einer privaten Einrichtung. Plätze in öffentlichen Kindergärten werden erst ab 3,5 bis 4 Jahren vergeben. So lange wollten und konnten wir nicht warten, denn der Besuch des Kindergartens hat für die Integration der Kinder im Ausland eine große Bedeutung.
Bereits am zweiten Tag nach unserem Umzug nach Kanada besichtigten mein Mann und ich mit unserer Tochter das Montessori-Kinderhaus in Windsor. Die Lehr- und Erziehungsmethoden waren uns vertraut. Denn obwohl die deutsche Kita nicht nach dem Montessori-Prinzip operierte, waren sich beide Philosophien sehr ähnlich. Die Entscheidung fiel uns umso leichter, da sich unsere Tochter bereits beim Kennenlernen der Kita sehr wohl zu fühlen schien. Ein gutes Zeichen. Aufgrund von Platzmangel startete sie zunächst mit zwei halben Tagen pro Woche, nach den Sommerferien dann in „Vollzeit“.
Falsche bzw. andere Erwartungen
In der deutschen Kita war die Eingewöhnung nach dem Berliner Modell abgelaufen: Als meine Tochter 15 Monate alt war, ging ich mit ihr das erste Mal in die Kita und blieb anfangs bei ihr. Aber von Tag zu Tag konnte ich den Raum immer länger verlassen, bis sie schließlich „allein“ in der Kita blieb. Es war eine Bilderbuch-Eingewöhnung, meine Tochter hat nie geweint, sondern sich nach und nach an die Erzieherinnen und die Prozesse der Kita gewöhnt. Ein Tränchen verdrückt habe dann eher ich, als sie das erste Mal von sich aus ihre Erzieherin umarmt hat. Spätestens da wusste ich ganz sicher, dass sie sich in der Kita wohlfühlt.
Mit dieser Erfahrung im Hinterkopf begleitete ich also am offiziellen ersten Tag meine dreijährige Tochter in den kanadischen Gruppenraum und erntete fragende Blicke der verantwortlichen Erzieherin. Denn, so erklärte sie mir, hier werden die Kinder am ersten Tag einfach abgegeben. Ob sie zufrieden sind oder traurig, spielt dabei keine Rolle. Eltern bleiben nicht im Gruppenraum. Ich war sehr verdutzt und etwas verunsichert. Schließlich waren wir gerade erst vor zwei Wochen nach Kanada gezogen und nun sollte ich einfach gehen?
Vielleicht hätte ich mir mehr Gedanken über die Eingewöhnung machen sollen, doch aus irgendeinem Grund war ich davon ausgegangen, dass es ähnlich wie in der alten Kita ablaufen würde. Ich erläuterte der Erzieherin also die mir bekannte Art der Eingewöhnung und durfte, nachdem die Kitaleiterin zugestimmt hatte, meine Tochter an diesem ersten Tag begleiten. Doch das war eine Ausnahme.
Wenn das Mutterherz bricht
Eine klassische Eingewöhnung gibt es in unserer kanadischen Kita nicht. Die Philosophie ist, dass die Kinder ohne ihre Eltern starten. Es brach mir das Herz, als ich am nächsten Tag meine Tochter allein in der Kita zurücklassen musste. Denn sie wollte mich nicht gehen lassen, klammerte sich weinend an mir fest und wurde mir schließlich von der Erzieherin sanft aus dem Arm gezogen. Die Kitaleiterin begleitete mich aus dem Raum, tröstete mich und sagte mir, sie würden mich sofort zurückholen, wenn sich meine Tochter nicht beruhigen ließe oder sie traurig sei. Ich hatte mein Telefon die nächsten Stunden permanent im Blick, doch es blieb ruhig. Als ich meine Tochter schließlich abholte, rannte sie mir fröhlich in die Arme und erzählte, wie toll es gewesen sei.
Meine Tochter hatte vom ersten Tag an Freude in ihrer neuen Kita. Dennoch weinte sie zunächst jeden Morgen bei der Verabschiedung und klammerte sich fest. Irgendwann waren ihre Augen dann nur noch feucht, und ich sah an ihrem Blick, dass sie traurig war. Es dauerte etwa zwei Wochen, bis sie bei der Verabschiedung nicht mehr traurig aussah. Diese Art der „Eingewöhnung“ fiel mir nicht leicht. Doch ich wusste, dass sich meine Tochter schon nach 1 bis 2 Minuten fröhlich einem Spiel, einem Buch oder einer Zeichnung zuwenden würde. Deswegen war ich beruhigt. Die Erzieherinnen haben die traurigen Verabschiedungen gut begleitet. Wenn wir morgens ankamen, war sofort jemand an unserer Seite und hat meine Tochter in den Raum begleitet, getröstet oder auf den Arm genommen.
Geschafft. Dank guter Vorbereitung
Es war in der Anfangszeit von großem Vorteil, dass meine Tochter schon sehr gut Englisch verstand. In der deutschen Kita war sie bereits in diese Sprache eingetaucht, denn eine ihrer Erzieherinnen hatte über die gesamte Zeit hinweg ausschließlich Englisch mit allen Kindern, Erzieherinnen und Eltern gesprochen. Meine Tochter sprach zwar noch nicht viele Worte, aber sie verstand so gut wie alles. Das hat ihr den Start in der neuen Kita maßgeblich erleichtert.
Mittlerweile geht meine Tochter seit fast einem halben Jahr mit großer Freude in die neue Kita. Manchmal vergisst sie sogar, sich von mir zu verabschieden.
Susan Höntzsch ist Diplom-Psychologin, freie Autorin, Bloggerin, Fotografin und Mutter. Sie lebt mit ihrer Familie in Windsor, Ontario, Kanada. Auf ihrem Blog Karrierepfade geht es um um ihr Leben als Expat in Kanada ebenso wie um das Finden der eigenen Berufung. Ihr findet Susan außerdem auf Instagram (über ihre Erfahrungen als Expat schreibt sie hier und über Karrierepfade hier), Facebook und Twitter.
Liebe Susan, ganz herzlichen Dank für deinen spannenden Beitrag. Bei den Bildern bekomme ich direkt Fernweh. 🙂
Zur Erinnerung: Mit #KigastartInternational wollen wir das Bewusstsein auf die gänzlich unterschiedlichen Eingewöhnungsmöglichkeiten in aller Welt lenken und hoffen, dass wir dadurch die eine oder andere zukünftige Eingewöhnung im In- und Ausland liebevoller gestalten können. Mehr zum Projekt hier.